Rückkehr historischer Kirchenglocken nach Danzig
Nun ist es soweit!
Auf Initiative der Stiftung Haus Hansestadt Danzig in Lübeck kommen 3 historische Kirchenglocken wieder zurück an ihren Entstehungsort nach Danzig.
Über ein Jahr ist es her, dass Prof. Jörg Linowitzki für das Haus Hansestadt Danzig und Prof. Dr. Jaskiewicz für den Verein zur „Erhaltung der Tradition des Artushofes zu Danzig“ ein gemeinsames Projekt starteten. Nach einem Besuch der Kirche Corpus Christi in Danzig anlässlich vieler verschiedener Planungen für die Vereinigung der „Bankenbruderschaften am Artus Hof zu Danzig in Lübeck“ waren die beiden sich einig: „Diese Glocken müssen dort klingen, wo sie Jahrhunderte geklungen haben“. Der Kontakt zu Pater Rafal Michalak war hergestellt, der Kontakt zur Union der Evangelischen Kirche in Person von Dr. Martin Evang als Verwalter der Glocken war unkompliziert und zielführend, die Arbeit konnte beginnen. Der Umgang mit der dritten Glocke musste mit dem Erzbischof für Danzig, Herrn Wojda, diskutiert werden. Neben juristischen Fragen war es wichtig, die Geschichte aufzuarbeiten, einen Glockensachverständigen zur Untersuchung heranzuziehen und Möglichkeiten des Abbaus und Transports zu durchdenken.
Zunächst zu den Glocken:
Eine kleine Glocke aus dem Jahre 1733 und eine mittelgroße Glocke aus dem Jahre 1758 , gegossen in Danzig, stehen seit 2008 im Hof des Museums Haus Hansestadt Danzig in Lübeck, vereint mit einer großen Glocke, gegossen am 20. Mai 1733, ebenfalls in Danzig.
Während der Zeit des Nationalsozialismus, ab 1941, wurden von diesen unzählige Glocken in ganz Polen abgebaut und auf sogenannte Glockenfriedhöfe gebracht. Sie sollten eingeschmolzen werden und u.a. als Patronenhülsen der Kriegsmaschinerie zur Verfügung gestellt werden. Auf dem größten, dem Hamburger Glockenfriedhof, stufte man den Wert der Glocken ein, diese drei wurden in die Kategorie „D“ eingestuft, sie gelten als Glocken von hohem historischem Wert. Der Glockenfriedhof hat die schweren Bombardierungen der Stadt Hamburg ohne größere Schäden überstanden.
Die beiden kleineren Glocken hingen in der Heilig-Leichnam-Kirche in Danzig, einer äußert geschichtsträchtigen Kirche, von der aus Jakob Hegge in den Jahren um 1520 in leidenschaftlichen Predigten die Danziger aufforderte, zum Luthertum zu konvertieren. Heute beherbergt die Kirche eine kleine polnisch-katholische Gemeinde, ihr Pfarrer ist Pater Rafal Michalak. Sie erkennen das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit und des Zölibats nicht an und lehnen LGBT-Menschen und die Gender-Philosophie nicht ab. Neben dieser Kirche befanden sich ein Hospital und ein Friedhof. Da alle deutschen Friedhöfe in Danzig vernichtet oder eingeebnet wurden, entstand an dieser Stelle 2004 als neue Gedenkstätte für die ehemaligen deutschen Bewohner der Stadt der „Friedhof der nicht existierenden Friedhöfe“.
Die große Glocke entstammt der Kirchengemeinde Wotzlaff der Freien Stadt Danzig. Dieses Kirchengebäude besteht nicht mehr, es wurde durch einen sehr viel kleineren Neubau ersetzt.
1945 mussten mehr als 100.000 Danziger aus ihrer Stadt fliehen. Viele wollten in der Nähe der Ostsee bleiben und fanden den Weg nach Lübeck. Eine lange Zeit in Durchgangslagern für Vertriebene lag vor ihnen, in Lübeck-Siems befanden sich bis 1965 die Flüchtlingslager Flender I – III mit bis zu 4000 Flüchtlingen. An dieser Stelle erbaute man 1951 die St.-Michael-Kirche Lübeck-Siems, in die man die 2 kleineren Glocken aus der Heilig-Leichnam-Kirche in Danzig hängte. In die nicht weit entfernte Lutherkirche in Lübeck-Kücknitz hängte man am 24. April 1951 die große Glocke, die man mit der Hilfe des letzten evangelischen Bischofs von Danzig, Oberkonsistorialrat Gerhard Gülzow vom Glockenfriedhof gerettet hatte. Man sagt, dass das Geläut dieser Glocken für hunderte Familien ein Stück Heimat war.
Die St.-Michael-Kirche Lübeck-Siems wurde im Jahre 2008 entwidmet, die Glocken gelangten zusammen mit der Glocke aus der Luther-Kirche als Dauerleihgabe an das Museum Haus Hansestadt Danzig.
Zeitlicher Ablauf der Überführung:
Am 5. März 2024 haben Bischöfin Bosse-Huber, Pfarrer Dr. Michalak und Erzbischof Dr. Wojda in Berlin die Schenkungsverträge unterzeichnet. In den Schenkungsverträgen wird auch beschrieben, wie mit den Glocken weiter verfahren werden sollte, bis sie an ihren vorgesehen Platz zurückkommen könnten.
Die Glocken werden am 15. Mai 2024 um 19 Uhr im Museum Haus Hansestadt Danzig, in der Engelsgrube 66, in 23552 Lübeck, verabschiedet.
Hierzu werden Gäste aus Danzig und ganz Deutschland erwartet. Dr. Evang, Dr. Michalak, zwei Vertreter der Katholischen Kirche Danzig, ein Vertreter des Generalkonsulats aus Danzig und hoffentlich viele Lübeckerinnen und Lübecker aus Politik und Gesellschaft entlassen nach über 80 Jahren die Glocken zurück nach Danzig. Sie werden dort nach einer Vereinbarung zwischen dem Direktor des Danziger Städtischen Museums Dr. W. Ossowski und der Stiftung Haus Hansestadt Danzig in die Obhut des Danziger Museums gegeben und am Stockturm in der Danziger Innenstadt ausgestellt werden. So obliegt es nach entsprechenden Baumaßnehmen der polnisch-katholischen, der römisch-katholischen und hoffentlich auch den Bürgern der Hansestadt Danzig über den weiteren Umgang mit den Glocken zu diskutieren. Anlässlich der Europäischen Hansetage in Danzig vom 13. bis 16. Juni 2024 sollen sie offiziell enthüllt werden.,
Den Abbau und Transport der Glocken übernimmt die Firma TT-Line ohne jegliche Kosten, um hiermit ihren Beitrag für die deutsch-polnische Freundschaft zu leisten.